„Teret,
Teret“ – „Eine Geschichte, eine
Geschichte“! So
ruft der traditionelle Erzähler in Äthiopien, um den
Anfang
einer neuen Geschichte anzukündigen. „Yelam Beret.
Yemeseret“ antworten dann halb singend in Reimform die
aufgeregten Kinder und Jugendlichen, was „Kuhstall“
und
„Gründung, oder Ursprung“ bedeutet (=
Geschichten, die
der Tradition Rechnung tragen).
So beginnt ein typischer Abend der äthiopischen Erzähltradition. Dieses zeitlose Ritual bedeutet eine gute Zeit des Beisammenseins, in der das ganze Dorf über Gott und die Welt, ihre eigene Identität und unzählige andere Fragen diskutiert, die die Menschen seit jeher beschäftigen. Ist die spannende Geschichte dann fertig erzählt, endet der Erzähler mit dem Reim „Teretayn Melesu, Afayn Bedabbo Abesu“, was so viel bedeutet wie „Als Gegenleistung für meine Geschichte gebt mir etwas Brot zum Kauen“. Danach übernimmt dann der oder die nächste die Rolle des Geschichtenerzählers, und beginnt ebenso mit „Teret, Teret …“ eine weitere spannende und lehrreiche Geschichte.
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Die
Mönche des Klosters aber, die dem Gespräch zwischen
Kaldi und dem Priester zugehört hatten, ließen nicht
vom Thema ab und zeigten großes Interesse an den roten
Kirschen. Am Ende nahm einer von ihnen ein paar von den Kirschen und
kaute sie vorsichtig. Und was meint ihr, was dann passierte? Schon nach
kurzer Zeit fühlte er eine Frische in seinem Körper
und er wurde so lebhaft, wie Kaldi es erzählt hatte. In dieser
Nacht gab es in dem Kloster langwierige Gebete, die die ganze Nacht
andauern sollten. Aber in dieser Nacht blieben die Mönche, die sonst gerne einmal einnickten, hellwach, denn alle hatten sie von den roten Kirschen gegessen. Der Priester fragte einen der Mönche, was da vor sich gehe. Dieser erzählte ihm, dass sie alle von den roten Kirschen versucht hätten. „Das ist ein Fluch, das muss mit dem Teufel zugehen!“ Der Priester warf die restlichen roten Kirschen in das brennende Feuer. Und was meint ihr, was dann passierte? Mit dem Rauch des Feuers lag plötzlich ein verführerisches Aroma in der Luft und jeder war von diesem Aroma verzaubert. |
Viel Zeit ist seit diesen ereignisreichen Tagen vergangen. Die roten Kirschen, die Kaldi gefunden hatte, wurden in vielen Ländern außerhalb Äthiopiens eingeführt und sie wurden in der Welt bekannt und beliebt als ein Getränk, das man „Kaffee“ nennt. Das ist der Beginn der Geschichte des Kaffees, der in Äthiopien entdeckt wurde.“ |
In Äthiopien
wächst zu 100% Arabica-Kaffee. Neben diesem
äthiopischen Arabica-Kaffee stammt der Canephora-Kaffee
(Robusta) ursprünglich aus dem Kongo und der Liberica-Kaffee
aus Liberia. Dieses sind die drei typischen Kaffee-Arten aus den Zeiten
der Entdeckung des Kaffees. Sie stammen alle aus Afrika, aber vor allem
die Europäer verbreiteten diese Samen in die ganze Welt. Aus
diesem Grund wird heute Kaffee in Mittel- und Südamerika,
Indonesien, Hawaii, Vietnam und seit neuestem auch in China angebaut.
Die Robusta- und Liberica-Samen, die widerstandsfähiger
gegenüber Krankheiten und Schädlingen sind, wachsen
in tieferen Lagen als Arabica-Kaffee und weisen eine hohe
Produktivität auf.
In den wilden Wäldern im Süden und Südwesten Äthiopiens wachsen die Bäume mit wildem Kaffee noch in der gleichen Weise, wie man sie schon von Anfang an vorfand. Diese Bäume gelten als die Vorfahren der heutigen Arabica-Kaffeebäume, weshalb sie die Einheimischen als Mutterbäume des Kaffees verehren und ihren Besitz von Generation zu Generation weitervererben. Ihre durchschnittliche Höhe beträgt ca. 2 m, einige sind aber auch 6 - 8 m hoch. Sie wachsen in einer reichen, laubhaltigen Erde, die gleichzeitig das Wasser ablaufen lässt und doch die Feuchtigkeit hält. Die Höhenlage beträgt 1.100 m - 2.100 m über dem Meeresspiegel, der jährliche Niederschlag liegt bei 1.500 mm - 2.500 mm. Diese Nebelwälder sind eine der artenreichsten Regionen der Welt, in ihnen gibt es mehr als 700 Arten von Pflanzen, darunter auch Heilpflanzen, rund 300 Vogelarten leben hier sowie Antilopen, Büffel und Leoparden, ja sogar Löwen. Arabica-Kaffee gehört zu den wenigen großen Welthandelsprodukten, die noch in ihrer ursprünglichen Form als Wildpflanzen in ihrer Heimat existieren. Forschungsergebnisse der Universität Addis Abeba belegen, dass es etwa 60 genetische Stämme von Kaffee gibt. Diese genetische Vielfalt tritt immer mehr in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, denn diese ursprünglichen, wilden Kaffees haben eine enorme kulturelle Bedeutung und einen großen biologischen Wert: 1970 konnten Gene eines Kaffeebaums aus den äthiopischen Wäldern durch Kreuzung ein ernsthaftes Problem eines Befalls mit dem Rostpilz in Kaffeeplantagen in Lateinamerikas lösen. Dies verhinderte dort eine ernste Wirtschaftskrise. Der Wert des Erbes dieses Wildkaffees ist so gesehen unermesslich. Allerdings werden die äthiopischen Wälder, in denen der Wildkaffee wächst, jedes Jahr immer kleiner. Es heißt, dass zwei Drittel der Wälder in Äthiopien bereits verloren sind, und es besteht die Sorge, dass die Wälder, die den wilden Arabica-Kaffee beheimaten, irgendwann aussterben. Um dies zu verhindern, hat es der Naturschutzbund Deutschland (NABU) im Jahr 2010 geschafft, die Wildkaffe-Wälder in der Region Kaffa als UNESCO-Biosphärenreservat anerkennen zu lassen. Dieses Biosphärenreservat ist mit rund 760.000 Hektar etwa halb so groß wie Schleswig-Holstein. Ein großer Teil davon wird von immergrünen Bergnebelwäldern eingenommen, die zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten beherbergen. Besonders berühmt aber sind die Wälder für die letzten Vorkommen des wilden Arabica-Kaffees. Die äthiopischen Arabica-Bohnen haben insgesamt ein ausgezeichnetes Aroma. Die Einzigartigkeit des Kaffees in seiner „Heimat“ liegt aber auch in der traditionellen Art des Anbaus. Dieser wird in die vier folgenden Kategorien eingeordnet. Der Waldkaffee (Forest Coffee) wird in den wilden und tropischen Wäldern in der südwestlichen Bergregion Äthiopiens (Kaffa) geerntet. Der Wald wird mit einem Mindestmanagement wie z.B. dem Schneiden des Unterholzes gepflegt. Dieser Wildkaffee beträgt ca. 5-6% der Gesamtproduktion des äthiopischen Kaffees. Während der Wald beim Waldkaffee so gelassen wird, wie er ist, wird er beim Semi-Waldkaffee (Semi Forest Coffee) durch die Landwirte etwas ausgedünnt, und die wilden Kaffeebäume werden aktiv behandelt, etwa wie auf einer Plantage. Diese Art der Kaffeebehandlung findet im Allgemein im Süden und Südwesten von Äthiopien statt. Dieser Kaffee deckt ca. 20% der gesamten äthiopischen Kaffeeproduktion. Der sogenannte Gartenkaffee (Garden Coffee) ist die häufigste Art, wie der Kaffee in Äthiopien angebaut wird. Die Bauern pflanzen ein paar, meistens gezüchtete Kaffeebäume in ihren Hinterhöfen, jäten Unkraut, hacken die Erde und mulchen den Boden das ganze Jahr über. Gartenkaffee wird im Süden und im Osten Äthiopiens von Kleinbauern angebaut. Die Produktivität dieser Anbaumethode ist sehr viel höher als die der vorher genannten Methoden. Mit dem Plantagenkaffee (Plantation Coffee) wird der Kaffee effizient und in moderner Art und Weise in großen Feldern angebaut. Dafür verwenden die Landwirte in ihren Plantagen hochwertige, gezüchtete Samen und achten auf ausreichend Platz zwischen den Setzlingen. Der Plantagenkaffee besitzt einen Anteil von nur etwa 4% der Gesamtproduktion, nimmt aber rasant zu. |
Besuch der
Original-Kaffeebäume
In einer Tagesreise fuhr ich von Addis Abeba nach Bonga, einer kleinen Stadt im Zentrum der Region Kaffa im Süd-Westen von Äthiopien. Mein Ziel waren die Wälder des Kaffa-Biospärenreservats der UNESCO und der deutschen Organisation NABU, in denen noch natürliche, wilde Kaffeebäume wachsen. Unterwegs nach Bonga kamen wir an wunderbaren Landschaften vorbei und fuhren durch riesige Flächen Weideland sowie durch das ehemalige Waldhochland, nun voll bepflanzt mit Teff, dem traditionellen äthiopischen Grundnahrungsmittel, aus dem das weiche gesäuerte Fladenbrot Injera hergestellt wird. Bonga ist eine kleine Stadt, in deren Umgebung viele Familien vom Kaffee leben. Überall in der Stadt riecht es ständig nach frisch geröstetem Kaffee der Kaffeezeremonien, denn der Kaffee spielt im Alltag der Äthiopier eine große Rolle: Durchschnittlich dreimal am Tag wird Kaffee frisch geröstet und zubereitet, oder in einer der unzähligen Café-ähnlichen Buden eingenommen. Am Rande der wilden Kaffeewälder haben Bauern ihre runden Hütten (Tukulus) gebaut, in denen sie in der Erntezeit von Oktober bis Januar leben. Im Wald selbst war es ein sehr erhabenes Gefühl, zwischen all den alten, wilden und originalen Kaffeebäumen zu stehen. Ich war überrascht, wie groß die Bäume sind, als ich über mir die noch nicht geernteten roten, reifen Kaffeekirschen entdeckte. Ich hatte kleinere Kaffeebäume erwartet, denn ich kannte bisher nur die kleineren Kaffeebäume auf Kaffeeplantagen. Die Früchte, die nicht gepflückt werden, fallen einfach auf den Boden. Die darin enthaltenen Samen lassen wieder und wieder neue Bäume sprießen und die Menschen, die hier leben, ernten wieder deren Früchte. Dies ist der Kreislauf des wilden Kaffees und des Dorflebens seit der Zeit von Kaldi, dem Ziegenhirten. Die Menschen können aber leider oft von den Einnahmen des Kaffees allein nicht überleben. Deshalb bauen sie, wenn es der Platz erlaubt, auch noch Weizen und Mais an. Sinkt der Kaffeepreis zu sehr, roden manche Bauern den Wald für neue Nutzflächen, was wiederum den Bestand der Kaffeewälder gefährdet. Von einem der Kaffeebauern werde ich zu einem Kaffee eingeladen. Wir sitzen vor der Lehmhütte, in der die Frau des Bauern den Kaffee zubereitet – dies ist seit jeher Frauensache und Mädchen werden im Alter von 10 Jahren in die Kunst der Kaffeezubereitung eingewiesen. In der Lehmhütte röstet die Frau den Kaffee, danach werden die noch warmen Kaffeebohnen mit einem Stößel zu Pulver zerstoßen. Zum Schluss wird das Kaffeepulver mit dem Wasser auf dem offenen Feuer aufgekocht. Dann bringt uns die Bäuerin aus der Lehmhütte einen sehr starken, schwarzen und dampfenden Kaffee. Zum Glück wird mir dazu Zucker angeboten, denn die Äthiopier trinken ihren Kaffee gerne auch gesalzen. Der Bauer neben mir bietet mir als Begleitsnack zum Kaffee mit der Geste für „Essen“ frisch geröstete Gerstenkörner an. Das passt erstaunlich gut zum Kaffee! Während wir ohne zu reden Kaffee trinken und Gerste essen, habe ich zum ersten Mal das Gefühl, Land und Leute etwas besser zu verstehen. |
Epilog - Die Geschichten und
Legenden über den Kaffee
Die Geschichte von Kaldi wird, abgesehen von den Namen Kali oder Kalitti, in drei unterschiedlichen Varianten erzählt. In einer Variante, so wie hier in dieser Reportage erzählt, schmeißen die Mönche die Kaffeekirschen ins Feuer und entdecken so die Kaffeeröstung gleich mit. In einer zweiten Variante fehlt dieser Teil, die Mönche versuchen die rohen Kaffeekirschen und die Röstung wird erst viel später entdeckt. In einer dritten Variante versuchen Kaldi und die Mönche zunächst nur die Blätter des Kaffeebaumes und entdecken erst viel später die Kaffeekirschen, die natürlich eine viel stärkere Wirkung haben. Je nach Quelle datiert diese Geschichte der Entdeckung des Kaffees vom 2. bis zum 6.- 8. Jh. Das erste schriftliche Zeugnis der Geschichte von Kaldi verfasste der libanesische, in Rom lebende Sprachwissenschaftler Antoine Faustus Nairon in seinem Buch „De Saluberrima potione Cahue seu Cafe nuncupata Discurscus“ im Jahr 1671. Die Legende vom äthiopischen Ziegenhirten Kaldi ist die am weitesten verbreitete, und man ist sich ziemlich einig darüber, dass die in dieser Legende angesprochene Region Kaffa im abessinischen Hochland in Äthiopien tatsächlich die ursprüngliche Heimat der Kaffeepflanze ist. Aber es gibt noch weitere Ursprungslegenden, von denen ich hier der Vollständigkeit halber die wichtigsten aufführe. Sheikh Umar: Diese Legende der Entdeckung des Kaffees stammt aus dem Jemen, wo der Priester Sheikh Umar die Auswirkungen der Kaffeefrucht bei Vögeln bemerkt haben soll und diese Neuigkeit verbreitete. Leider mangelt es an schriftlichen Hinweisen, die den Wahrheitsgehalt dieser Legende belegen könnten. Naironus Banesius: Dieser Maronitenmönch soll Mitte des 17. Jh. in Kaffa in Äthiopien eine Viehherde beobachtet haben, die sich sonderbar benahm. Ihm fiel auf, dass die Tiere ungewöhnlich lebhaft waren, bis spät in die Nacht keine Ruhe fanden und keinerlei Anzeichen von Müdigkeit zeigten. Der Mönch fand heraus, dass die Tiere die gelben und roten, kirschenähnlichen Früchte einer Pflanze gefressen hatten. Der Mönch fertigte einen Sud aus den Früchten dieser Pflanze an und stellte fest, dass seine Müdigkeit verschwand und er problemlos nachts wach bleiben konnte. Der Prophet Mohammed: Eine sehr anderslautende Legende erzählt vom großen Propheten Mohammed. Orientalische Erzähler berichten, dass der Erzengel Gabriel dem schwer kranken Propheten mit einer Schale heißer, dunkler Flüssigkeit erschien, die er „quawa“ nannte. Nach dem Genuss dieses Getränks wurde Mohammed sehr schnell gesund und gewann seine Lebensgeister zurück. So konnte er mit Hilfe dieser himmlischen Stärkung ein riesiges islamisches Reich zusammenführen, wie es die Welt bis dahin noch nicht gesehen hatte. Der Derwisch Omar: Die Legende, die nicht fehlen darf, ist die des jungen Derwisches (muslimischer Bettelmönch) namens Omar. Dieser wurde verleumdet, unschuldig verurteilt und dann mit seinen Gefährten in eine abgelegene Steinwüste verbannt. Am Ende seiner Kräfte, halb verhungert und verdurstet, versuchte er von den Früchten eines ihm unbekannten Strauches und kochte daraus einen Sud. Dadurch wie durch ein Wunder genesen, konnte er in die Stadt zurückkehren und er erzählte von der magischen Frucht. Nun wollte jeder von dieser Frucht kosten, Omar wurde mit Ehrungen überhäuft und vom Kalifen bekam er sogar einen Palast geschenkt. Der Name des Kaffees Über die Herkunft unseres Namens „Kaffee“ gibt es unterschiedliche Theorien. Die erste lautet, dass Kaffee seinen Namen von „Kaffa“ bekommen hat, also dem Namen der Region, in der er entdeckt wurde. Die zweite Theorie, die man in der Literatur weit häufiger als Erklärung vorfindet, besagt, dass der Name um das Jahr 1600 herum teilweise aus dem arabischen Original „qahwah“ und teilweise aus der türkischen Form „kahveh“ in die europäischen Sprachen adaptiert wurde. Auch wenn sich in sehr vielen Ländern der Welt der Namen für das Getränk auf dieser Basis durchgesetzt hat, so heißt der Kaffee auf Amharisch, der äthiopischen Amtssprache, aber „bunna“, in anderen äthiopischen Sprachen „bun“, „buna“ oder „bona“ (aber auch z.B. „kawa“). Den Namen „Bunna“ für Kaffee vergaben früher die Karawanenhändler, die ihn über das gesamte äthiopische Hochland transportierten. Diese Händler wurden damals oft zum Kaffee zu Hause bei einer lokalen Familie eingeladen, die Frau des Hauses bereitete den Kaffee für die Karawanenhändler zu. Diese Frau wurde „Genne Bunno“ oder „Genne Bunne“ genannt, wobei „Genne“ Frau bedeutet. Bis heute ist es eine gute Tradition und Sitte bei den Menschen in Kaffa, denen die Kaffeepflanzen gehören, dass sie ihren Familien und Freunden Kaffeekirschen oder -bohnen per Paket schicken mit der Aufschrift „Bunno-Kaffa“, was „Kaffee aus Kaffa“ bedeutet. |
Kaffee mit dem Gewürz „Tena Adam Typische äthiopische Kaffeekanne „Jebena“ |