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Als ich kürzlich in der
brasilianischen Chapada Diamantina war, habe ich mich gefragt, ob es
heute noch Menschen gibt, die vom Diamantenschürfen leben und
was sie wirklich antreibt. Über einen Bekannten konnte ich den
Diamentenschürfer Cago ausfindig machen und wir haben uns an
seiner aktuellen Schürfstelle verabredet: Im Moment sucht er
am Rio Capivari, ca. 15 km von der Stadt Lençois entfernt,
dem Eingangstor in die „Chapada“. Seit 10 Tagen
schuftet Cago jeden Tag vergeblich: keinen einzigen
Diamanten konnte er in dieser Zeit finden. Wird er heute endlich
fündig?
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Als
er sich für diese Stelle am Fluss entschieden hatte, musste er
zuerst einen kleinen Staudamm bauen, ein wenig wie ein Biber. Er
benötigt den Wasserabfluss des Staudamms, um das
Geröll durchzuspülen.
Es ist 8.30 Uhr morgens, der Himmel ist zwar noch bewölkt,
aber schon
drückt die trockene Hitze.
Cagos Tagesablauf ist einfach, aber strikt geregelt, seine Arbeitstage
bestehen hauptsächlich aus Schaufeln: Er schaufelt die
Schubkarre voll und spült den Inhalt dann durch den Rost, den
er in den kleinen Staudamm eingebaut hat. Das höhere Gewicht
der Diamanten läßt sie dort absinken und sie
verfangen sich in den Querverstrebungen des Rosts. Sollte sich ein
Diamant darunter befinden, findet er ihn auch! An einem Vormittag
wiederholt er diesen Vorgang zwischen 25 und 30 Mal. Ab und zu trinkt
er aus der hohlen Hand einen Schluck des Flusswassers: „Das
ist absolut sauber und frisch.“ |
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Seine
kräftigen Oberarme verraten, dass er diese Arbeit nicht erst
seit gestern macht. Cago arbeitete bis vor einem Jahr für eine
Diamentenschürffirma mit Sondergenehmigung in der
Nähe der Stadt Andaraí, für die er die
großen Maschinen mit Steinen und Geröll
fütterte. Für 15 Tage Arbeit bekam er dort einen Lohn
in Höhe von 150,00 Reais (~ 59,00 €, Kurs 10/2012 =
1€ : 2,55 R$). Das ist weit weniger als der eigentliche
gesetzliche Mindestlohn von 540,00 Reais pro Monat im Jahr 2011.
„Das war eine schlecht bezahlte Schinderei, und ich dachte
mir, das schaffe ich auch alleine! So habe ich dort gekündigt,
um auf eigene Faust Diamanten zu schürfen“,
erklärt er mir. Von seinem Vater habe er diesen Beruf gelernt
und er meint weiter: "Ich habe nie etwas anderes gemacht, und ich kann
auch gar nichts anderes. Mit Touristen zu arbeiten, wie es viele meiner
früheren Kollegen heute tun, das kann und will ich auch gar
nicht.“
Ein kleiner Diamant bringt ihm zwischen 25,00 und 50,00 Reais, je nach
Größe und Qualität. Der
größte Diamant, den er bisher fand, brachte ihm
800,00 Reais. Das Problem ist, dass die etwas
größeren Diamanten in ca. 15 Metern Tiefe liegen,
also nur mit Maschinen gefördert werden können. Wenn
er drei Wochen lang an einer Stelle keinen Diamanten findet, zieht er
weiter und sucht sich eine andere Stelle.
Es hat etwas von einem Glücksspiel,
auch wenn es keines ist. Das Diamentenschürfen ist im
Nationalpark Chapada Diamantina nur noch eingeschränkt
möglich. Firmen können mit Maschinen nur noch mit
Sondergenehmigungen in der Region um die Stadt Andaraí herum
schürfen. Privatpersonen können für ein
bestimmtes Gebiet eine Schürferlaubnis beantragen, wo sie dann
manuell schürfen dürfen. Wechseln sie den Standort,
müssen sie dafür einen neuen Antrag stellen. Dies
wird kontrolliert, ist kompliziert und umständlich, die
meisten halten sich deshalb nicht daran. Es gibt immer weniger
Schürfer wie Cago, die versuchen, vom Diamantensuchen zu
leben; die Mehrzahl macht dies als eine Art
„Nebenjob“, meistens am Wochenende oder abends. |
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Das ehemalige
Diamantenwäscherstädtchen Lençois liegt am
Rande des Nationalparks Chapada Diamantina, 425 Kilometer von Salvador
de Bahia entfernt. Als 1844 im Rio Mucujé Diamanten gefunden
wurden, strömte eine Mischung aus Schürfern,
Abenteurern und Banditen aus ganz Brasilien dorthin, um ihr
Glück zu suchen. Die Schürfer, Brasilianer nennen sie
garimpeiros, lebten in Zelten, die wie zum Trocknen
aufgehängte Leintücher aussahen – daher
stammt der Name Lençois, das portugiesische Wort
für Leintuch. |
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Lençois |
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Der Diamantenrausch machte Lençois
zu einer reichen Stadt. Ende des 19. Jahrhunderts aber wurden die
Diamantenfunde spärlicher. Da in dieser Zeit auch
Diamantvorkommen in Südafrika gefunden wurden, sank zudem der
Wert der Diamanten auf dem Weltmarkt. Als die Brasilianer 1888
außerdem die Sklaverei abschafften, erlebte der
brasilianische Diamantenboom zu Beginn des 20.Jh. seinen
Niedergang. |
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Ehemaliger Sklavenmarkt in Lençois |
Heute ist
Lençois ein schönes Städtchen mit ca. 10.000 Einwohnern, das sich architektonisch wenig verändert
hat.
Die Chapada Diamantina wurde 1985 zum Nationalpark
erklärt und Lençois setzt seitdem auf den
Tourismus. Aber trotz der anwachsenden Zahl der Touristen, die jedes
Jahr die Gegend besuchen, hat sich die Stadt ihren kolonialen Charakter
bis heute bewahrt.
Lençois dient als Ausgangspunkt für den Besuch der
Tafelberge, Canyons, Wasserfälle und Höhlen, sowie
der Flora und Fauna des wunderschönen Nationalparks. |
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Poço Azul, Chapada Diamantina |
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Kurz vor der
Mittagspause um ca. 12.00 Uhr beginnt Cago dann, den Rost abzubauen.
Danach siebt er das Geröll, das sich im Rost abgesetzt hat,
durch. Das ist jedes Mal ein spannender Moment, entscheidet sich doch,
ob sich die Stunden der Plackerei in großer Hitze gelohnt
haben oder nicht.
Er legt dafür mehrere Siebe mit verschiedenen
Siebgrößen übereinander, das
gröbste Sieb oben, das feinmaschigste unten.
Jede Lage wird
vorsichtig gespült, gedreht und dann sehr genau kontrolliert. |
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Leider wieder nichts! Aber man merkt ihm keinen
Frust an, es ist eben einfach ein Teil des Geschäfts. Nach dem
ersten Siebvorgang des Tages geht es dann zur Mittagspause zu seinem
Haus, ungefähr 10 Gehminuten entfernt. Die Hitze ist
mittlerweile stechend, es dürften ca. 40° C. sein.
Cago arbeitete bisher barfuß und er läuft auch
barfuß nach Hause. Dort verstehe ich dann: er besitzt gar
keine Schuhe!
Sein kleines, bescheidenes Haus hat er zusammen mit einem
erfahrenen Garimpeiro-Kollegen gebaut, der ihm dabei sehr geholfen
habe. Es gibt ihn noch, den Zusammenhalt.
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Das Fleisch wird über dem offenen Feuer geräuchert |
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Es
gibt keinen Strom, also auch kein Licht und keinen
Kühlschrank, gekocht wird über dem offenen Feuer
– so traditionell wie seine Schürfmethode! Das
Mittagessen ist typisch brasilianisch, bietet wenig Abwechslung, ist
aber für die einfachen Kochverhältnisse sehr
schmackhaft: Reis, Bohnen im Knoblauchsud, Fleisch, dazu zwei
Tomatenscheiben und zwei Zwiebelringe, das Öl ist leider
ausgegangen. Dazu frisches Leitungswasser und nach dem Essen gibt es
noch einen gefilterten, erstaunlich guten cafezinho, sogar mit etwas
Zucker. Noch
eine kleine Pause mit einem Schwatz (bate-papo) im Schatten, ein
Nachbar ist noch kurz auf dem Nachhauseweg vorbei gekommen und setzt
sich zu uns. |
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