Kakao wird in Brasilien seit dem
späten 17. Jahrhundert im Süden des Bundesstaates Bahia angebaut. Später, ab
dem Ende des 19. Jahrhunderts, stieg Brasilien zum
größten Kakaoproduzenten der Welt auf - bis dann vor
ungefähr zwanzig Jahren die Produktion dort unerwartet
einbrach. Dennoch spielt der Kakaoanbau in Brasilien noch immer eine
wichtige Rolle und Bahia ist weiterhin der größte
Kakaoproduzent Brasiliens. Gründe genug für mich, den
Kakao in Bahia einmal zu besuchen und seinen Anbau vor Ort genauer unter die Lupe zu nehmen! Wer möchte, kann gerne
mitkommen!
UNTERWEGS ZUR KAKAOKÜSTE Die
Größenverhältnisse und Entfernungen in
Brasilien
relativieren das eigene Empfinden dessen, was weit entfernt ist.
Deshalb
entschloss ich mich, die kurze Strecke von 1.800 km von São
Paulo nach
Itabúna in den Süden Bahias mit dem Auto zu fahren.
Dafür
hatte ich
zwei volle Fahrtage einkalkuliert. Die Strecke führt
über
große Teile hinweg durch wunderschöne,
grüne und
blühende, ja wuchernde Landschaften.
Die Straßen aber sind in bestimmten Abschnitten ziemlich gefährlich, was Größe, Tiefe und Häufigkeit der Schlaglöcher, aber auch so manch durchgeknallten LKW-Fahrer betrifft, vor allem bei Dunkelheit. Da der größte Teil der Strecke über einspurige Landstraßen führt, hatte ich zudem ständig schwer beladene Lastwagen vor mir, was der reinen Fahrzeit nicht gerade zuträglich war. Irgendwann, ungefähr 100 km vor Ilhéus, mehren sich die Anzeichen, dass man, langsam aber sicher, dem Kakao immer näher kommt: hier ein Werbeschild an der Straße für hausgemachte Schokolade ('chocolate caseiro'), dort eine Tankstelle mit dem Namen Cacau, die ersten Kakaofrüchte an einem Marktstand und dann: der erste Kakao-Straßenverkäufer. Kurz darauf ging es dann auch schon rechts ab: auf zur 'Costa do Cacau'! Die Fazenda Boa Sentença liegt in der Nähe der Stadt Itabúna, also im Herzen des Kakao-Anbaugebietes im südlichen Bahia. Die Route führt direkt am Stadtteil Ferradas vorbei, dem Geburtsort des Schriftstellers Jorge Amado. Die Stadt Itabúna hat ihm dort ein Denkmal hingestellt, schließlich hat er – unter anderem – fünf Romane zum Thema Kakao geschrieben, darunter einer seiner bekanntesten, der Roman Cacau. Die Kakaofarm liegt ungefähr weitere 10 km von Ferradas entfernt und ist nur über eine rumpelige Erdstraße zu erreichen. Auf dem Weg zur Kakaofarm Boa Sentença |
BEIM
KAKAO
Manuel
ist ein erfahrener barcaceiro. Ein barcaceiro ist verantwortlich dafür, die Kakaosamen in ihrem
Fruchtfleisch gut zu fermentieren und zu trocknen. Wenn die Kakaosamen
fermentieren, wird es durch die Bioreaktion, bei
der die Gerbstoffe des Kakaos abgebaut werden, in den
Behältern sehr warm und es entwickelt sich ein intensiver,
süß-säuerlicher Geruch im ganzen Raum - und
dies zusätzlich zum feucht-heißen, tropischen Klima.
Während des
gesamten Fermentierungsprozesses
steht Manuel drei bis vier Mal mitten in dieser warmen,
klebrig-matschigen Masse und schichtet die schweren Kakaosamen zwischen
den Behältern hin und her. Damit verhindert er, dass sich an
den Kakaosamen Schimmel bilden kann. "Mit der Zeit gewöhnt man sich an den
Geruch,
ich rieche ihn schon lange nicht mehr", meint er, wobei
sein
drahtiger, durchtrainierter Körper verrät, dass er
diese
körperlich anstrengende Arbeit schon viele Jahre verrichtet.
Manuel ist einer von 80 Arbeitern, die alle in den kleinen Häusern auf der Farm leben. Auf diesen Häusern befinden sich als Dächer die sogenannten Barkassen ('barcaças') – daher Manuels Berufsbezeichnung - in denen der Kakao in der Sonne trocknet. Dazu lassen sich die Dächer auf Schienen komplett aufschieben. Wenn es regnet und auch abends ziehen Manuel und die anderen barcaçeiros alle Dächer wieder zu. Neben den Wohnhäusern mit den Barkassen auf den Dächern befinden sich auf dem Farmkomplex noch weitere Gebäude: eine farmeigene Kirche, eine Schule, ein Viehstall, eine Pferdekuppel sowie einen gut gepflegten Bolzplatz. Ebenso befindet sich mitten in der Farm eine Bushaltestelle, damit die Leute nach Ferradas fahren können. Mit einem Umfang von 14 Kilometern schmiegen sich die Kakaoplantagen hufeisenförmig um den Farmkomplex herum. Diese Plantagen lassen sich von weitem nicht sofort als solche erkennen: sie sehen eher aus wie ein normaler tropischer Wald, denn die Kakaobäume benötigen sehr viel Schatten, den sie von verschiedenen großen Baumarten sowie von vielen Bananenbäumen erhalten. ETWAS GESCHICHTE Die Kakaopflanze ist zwar im
brasilianischen Amazonasgebiet heimisch, die kommerzielle Nutzung aber
begann erst im 17. Jahrhundert. Doch die Geschichte des Kakaos ist
bereits über 3.000 Jahre alt: als ältester bekannter
Nachweis für seinen Genuss gelten Lebensmittelreste an
Scherben, die bei Ausgrabungen in Honduras gefunden wurden: sie werden
auf das Jahr 1.100 V.Chr. datiert.
„Kein zweites Mal hat die Natur eine solche Fülle der wertvollsten Nährstoffe auf so kleinem Raum zusammengedrängt, wie gerade bei der Kakaobohne.“ (Alexander von Humboldt) |