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Zu Besuch beim Kakao 

Fotoreportage über den Kakao-Anbau in Brasilien





Kakao-Anbau in Brasilien





Neun von zehn Leuten mögen Schokolade. Der Zehnte lügt.
(John Tullius)








Kakao wird in Brasilien seit dem späten 17. Jahrhundert im Süden des Bundesstaates Bahia angebaut. Später, ab dem Ende des 19. Jahrhunderts, stieg Brasilien zum größten Kakaoproduzenten der Welt auf - bis dann vor ungefähr zwanzig Jahren die Produktion dort unerwartet einbrach. Dennoch spielt der Kakaoanbau in Brasilien noch immer eine wichtige Rolle und Bahia ist weiterhin der größte Kakaoproduzent Brasiliens. Gründe genug für mich, den Kakao in Bahia einmal zu besuchen und seinen Anbau vor Ort genauer unter die Lupe zu nehmen! Wer möchte, kann gerne mitkommen!







UNTERWEGS ZUR KAKAOKÜSTE









Die Größenverhältnisse und Entfernungen in Brasilien relativieren das eigene Empfinden dessen, was weit entfernt ist. Deshalb entschloss ich mich, die kurze Strecke von 1.800 km von São Paulo nach Itabúna in den Süden Bahias mit dem Auto zu fahren. Dafür hatte ich zwei volle Fahrtage einkalkuliert. Die Strecke führt über große Teile hinweg durch wunderschöne, grüne und blühende, ja wuchernde Landschaften.












Die Straßen aber sind in bestimmten Abschnitten ziemlich gefährlich, was Größe, Tiefe und Häufigkeit der Schlaglöcher, aber auch so manch durchgeknallten LKW-Fahrer betrifft, vor allem bei Dunkelheit. Da der größte Teil der Strecke über einspurige Landstraßen führt, hatte ich zudem ständig schwer beladene Lastwagen vor mir, was der reinen Fahrzeit nicht gerade zuträglich war.







Unterwegs zum Kakao ...





Irgendwann, ungefähr 100 km vor Ilhéus, mehren sich die Anzeichen, dass man, langsam aber sicher, dem Kakao immer näher kommt: hier ein Werbeschild an der Straße für hausgemachte Schokolade ('chocolate caseiro'), dort eine Tankstelle mit dem Namen Cacau, die ersten Kakaofrüchte an einem Marktstand und dann: der erste Kakao-Straßenverkäufer.








      

 

     





Kurz darauf ging es dann auch schon rechts ab: auf zur 'Costa do Cacau'! Die Fazenda Boa Sentença liegt in der Nähe der Stadt Itabúna, also im Herzen des Kakao-Anbaugebietes im südlichen Bahia.













Die Route führt direkt am Stadtteil Ferradas vorbei, dem Geburtsort des Schriftstellers Jorge Amado. Die Stadt Itabúna hat ihm dort ein Denkmal hingestellt, schließlich hat er – unter anderem – fünf Romane zum Thema Kakao geschrieben, darunter einer seiner bekanntesten, der Roman Cacau. Die Kakaofarm liegt ungefähr weitere 10 km von Ferradas entfernt und ist nur über eine rumpelige Erdstraße zu erreichen.


















Auf dem Weg zur Kakaofarm Boa Sentença













BEIM KAKAO




Im Fermentierunshaus






Manuel ist ein erfahrener barcaceiro. Ein barcaceiro ist verantwortlich dafür, die Kakaosamen in ihrem Fruchtfleisch gut zu fermentieren und zu trocknen. Wenn die Kakaosamen fermentieren, wird es durch die Bioreaktion, bei der die Gerbstoffe des Kakaos abgebaut werden, in den Behältern sehr warm und es entwickelt sich ein intensiver, süß-säuerlicher Geruch im ganzen Raum - und dies zusätzlich zum feucht-heißen, tropischen Klima.






Manuel, der barcaceiro




Während des gesamten Fermentierungsprozesses steht Manuel drei bis vier Mal mitten in dieser warmen, klebrig-matschigen Masse und schichtet die schweren Kakaosamen zwischen den Behältern hin und her. Damit verhindert er, dass sich an den Kakaosamen Schimmel bilden kann. "Mit der Zeit gewöhnt man sich an den Geruch, ich rieche ihn schon lange nicht mehr", meint er, wobei sein drahtiger, durchtrainierter Körper verrät, dass er diese körperlich anstrengende Arbeit schon viele Jahre verrichtet.


Manuel ist einer von 80 Arbeitern, die alle in den kleinen Häusern auf der Farm leben. Auf diesen Häusern befinden sich als Dächer die sogenannten Barkassen ('barcaças') – daher Manuels Berufsbezeichnung - in denen der Kakao in der Sonne trocknet.













Dazu lassen sich die Dächer auf Schienen komplett aufschieben. Wenn es regnet und auch abends ziehen Manuel und die anderen barcaçeiros alle Dächer wieder zu. Neben den Wohnhäusern mit den Barkassen auf den Dächern befinden sich auf dem Farmkomplex noch weitere Gebäude: eine farmeigene Kirche, eine Schule, ein Viehstall, eine Pferdekuppel sowie einen gut gepflegten Bolzplatz. Ebenso befindet sich mitten in der Farm eine Bushaltestelle, damit die Leute nach Ferradas fahren können.







     



     
 





Mit einem Umfang von 14 Kilometern schmiegen sich die Kakaoplantagen hufeisenförmig um den Farmkomplex herum. Diese Plantagen lassen sich von weitem nicht sofort als solche erkennen: sie sehen eher aus wie ein normaler tropischer Wald, denn die Kakaobäume benötigen sehr viel Schatten, den sie von verschiedenen großen Baumarten sowie von vielen Bananenbäumen erhalten.

































ETWAS GESCHICHTE


Die Kakaopflanze ist zwar im brasilianischen Amazonasgebiet heimisch, die kommerzielle Nutzung aber begann erst im 17. Jahrhundert. Doch die Geschichte des Kakaos ist bereits über 3.000 Jahre alt: als ältester bekannter Nachweis für seinen Genuss gelten Lebensmittelreste an Scherben, die bei Ausgrabungen in Honduras gefunden wurden: sie werden auf das Jahr 1.100 V.Chr. datiert.





Quetzalcoatl


Catedral de São Sebastião, Ilhéus

Catedral de São Sebastião. Die Kathedrale in Ilhéus, davor
das
'Teatro Municipal' und dazwischen das 'Café Vesuvio':
alle drei
Gebäude stammen aus der Zeit der Goldenen
Periode des
Kakao ('período áureo do cacau') in Bahia.



Kakaofrucht mit Pilzbefall 'vassoura-de-bruxa'

Kakaofrucht mit Pilzbefall 'vassoura-de-bruxa' 
Schon bei den Mayas und Azteken war der Kakao eine heilige Pflanze, Sinnbild für den Kreislauf des Lebens; aber auch Zahlungsmittel und Göttergetränk – so ist der Name Kakao vom aztekischen 'cacahuatl' abgeleitet.

Ihr Gott Quetzalcoatl war eine Art Schutzpatron der Kakaopflanze – nach ihm wurde eines ihrer Kakaogetränke benannt: 'xocoatl' (~ bitteres Wasser). Es war eine Mischung aus Kakao, Wasser, Vanille und Pfeffer und wurde zum Namensgeber unserer Schokolade.




In den Süden des Bundesstaates Bahia wurden die Samen des Kakaobaumes erst im späten 17. Jahrhundert eingeführt: Klima und Bodenbeschaffenheit stellten dort ideale Bedingungen für einen kommerziellen Anbau dar.

Der Kakao verwandelte sich in der Region seit der Mitte des 18. Jahr- hunderts in eine Art Statussymbol des Reichtums und der Macht der sogenannten 'coroneis', die sich mit großen Farmen, den 'fazendas', bei Ilhéus und Itabuna ansiedelten.

In der Zeit von 1896 bis 1930 stieg die Kakaoproduktion um 400% und Brasilien entwickelte sich zum größten Kakao- produzenten der Welt.

Für eine lange Zeit war der Kakao für den Süden Bahias ein sehr lukratives Geschäft.






Doch vor ungefähr zwanzig Jahren brach die Kakaoproduktion im Süden Bahias fast vollständig ein. Der Hauptgrund für diese Tragödie war, neben dem Preisverfall des Kakaos durch verstärkten Anbau in Afrika, vor allem aber der massive Befall des Pilz-Schädlings mit dem Namen 'vassoura- de-bruxa' (Hexenbesen).

Um das plötzliche und für alle überraschende Auftauchen dieses Schädlings in Bahia ranken sich bis heute viele Geschichten und Legenden - bis hin zur Theorie des absichtlichen Einschleppens des Schädlings durch fremde "Mächte"!






Viele Kakaopflanzer mussten ihre Farmen aufgeben, sehr viele Menschen verloren ihre Arbeit und nicht wenige nahmen sich damals das Leben - bis heute hat sich die Region nicht richtig von dieser Plage erholt.

Es hat sich gezeigt, dass nur eine veränderte Arbeitsweise und Einstellung beim Anbau heute wieder einen Teil der Produktionsmenge von damals ermöglicht.

Die Arbeit der Fazenda Boa Sentença ist so ein positives Beispiel dafür, wie die Plage der 'vassoura-de-bruxa' mit Erfolg und Ausdauer bekämpft werden kann.

Manuel und seine Kollegen wie z.B. Osmundo, Carlos Roberto oder Zé Roberto arbeiten sehr konzentriert und mit moderneren Methoden als damals daran, die alte Produktivität der Fazenda wieder zu erlangen.









„Kein zweites Mal hat die Natur eine solche Fülle der wertvollsten Nährstoffe
auf so kleinem Raum zusammengedrängt, wie gerade bei der Kakaobohne.“
(Alexander von Humboldt)
















© Copyright Fotografien und Texte: Jochen Weber



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