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Pflanze
und Frucht, Anbau und Felder ('Planta e fruto, cultivo e campos') Das Leben eines brasilianischen Kaffeebaums beginnt normalerweise als Keimling in einer Baumschule, wo er zusammen mit vielen anderen ausgewählten Kaffeesamen unter konstanter Temperatur, am besten zwischen 25° und 30° Celsius, und einer gleichbleibenden Feuchtigkeit, im Halbschatten gezogen wird. Als Keimling heißt er auf Portugiesisch, je nach seinem aktuellen Zustand, Streichholz ('palito de fósforo') oder Panther-Ohr ('orelha de onça'). Nach ca. 6 - 8 Wochen schaut der Keimling aus der Erde. Der Samen liefert ihm, dem dünnen, gekrümmten Keimling, der am unteren, dem Fruchtstiel zugekehrten Ende des Samens sitzt, ein kräftiges Nährgewebe. Sobald seine Blätter kräftig genug sind und sich ausdehnen wollen, bringen sie die Außenhülle zum Platzen: seine Panther-Ohren! Zu diesem Zeitpunkt ist er etwa 5 cm groß, und ungefähr 6 - 8 Monate später, wenn er bereits eine Größe von 30 - 40 cm erreicht hat, ist er schon ein Kaffee-Setzling ('muda de café') und bereit für einen Umzug in die Kaffee-Plantage. Etwas Kaffeegeschichte I ('Um pouco história do café I') Dass der kleine Kaffeebaum in Brasilien lebt, ist nicht selbstverständlich, da er dort nicht heimisch ist. Erst 1727 gelangten die ersten Kaffeepflanzen nach Brasilien, das ist gesicherte Erkenntnis. Gesichert scheint auch, dass dies über den jungen Sergeanten Francisco de Melo Palheta geschah. Der Gouverneur des Bundesstaates Pará trug ihm auf, eine Kaffeepflanze von seinem Besuch beim Gouverneur M. d’Orvilliers in Französisch-Guayana mitzubringen, da Brasilien weder Pflanzen noch Samen der Kaffeepflanze besaß. Um alle weiteren Details dieser Geschichte drehen sich viele Spekulationen und Legenden. Dem französischen Gouverneur M. d’Orvilliers in Französisch-Guayana war wohl von seinem König aufs Strengste verboten worden, dem brasilianischen Wunsch zu entsprechen. Nun soll sich aber zugetragen haben, dass Mme. d’Orvilliers, die Gattin des Gouverneurs von Französisch-Guayana höchstselbst, den Avancen des jungen, formidablen Francisco de Melo Palheta nicht lange Stand gehalten habe. Als dieser nach Brasilien zurückkehrte, soll ihm die Betörte einen Blumenstrauß geschickt haben: in diesem versteckt fand er ein paar der ersehnten Samen. Von da an wurde Brasilien also zum Anbaugebiet für Kaffee, aus diesen Samen erwuchs das spätere, mächtige Reich des brasilianischen Kaffees. Eine passende Episode in der Geschichte der so verführerischen Bohne! Und vielleicht die Vorlage für die erste brasilianische Telenovela? |
Ein neues Kaffeefeld entsteht
('Surge um campo novo de café') Bevor nun die Arbeiter der Kaffeeplantage unseren kleinen Setzling einpflanzen, bereitet Kaffeefarmer Paulo das neue Kaffeefeld vor. Er pflügt den Acker um und legt danach die Bepflanzungslinien für die neuen Kaffeebäume fest, die er an die geologischen Gegebenheiten anpasst. Um zu verhindern, dass das Regenwasser nach den teilweise sehr heftigen tropischen Regenfällen in der Regenzeit zu schnell abfließt, und auch, um Erosion vorzubeugen, legt er die Reihen immer "entlang der Hanglinie" an. Als nächsten Schritt in der Vorbereitung des neuen Feldes für die kleinen Setzlinge geben drei der Arbeiterinnen die Abstände für die neu einzupflanzenden Bäumchen vor: dies bewerkstelligen sie mit Hilfe einer vorgeknoteten Schnur, die die Abstände vorgibt, sowie mit hunderten kleinen Bambusstöckchen, die die späteren Pflanzstellen markieren. Früher haben die Kaffeepflanzer die Bäume in einem Abstand von ca. 2 Metern gepflanzt und sie erzielten damit eine Dichte von 1. - 3.000 Bäumen pro Hektar, je nach Abstand der Baumreihen (der betrug zwischen 3 und 5 Metern). Mit modernen Erkenntnissen und der "Verdichtungsmethode" ('método de adensamento') erzielt ein Kaffeepflanzer heute mit einem Baumabstand von ca. 80 cm bis zu 7. - 8.000 Bäume pro Hektar! Die neueste Methode heißt sogar schon "superadensamento" und setzt die Bäume in einem Abstand von nur noch 50 cm. Versuche haben gezeigt, dass die Bäume den fehlenden Platz zum nächsten Baum ausgleichen, indem sie nach außen wachsen und die Menge an Früchten pro Baum im Durchschnitt gleich bleibt. Insgesamt pflanzen die Arbeiterinnen und Arbeiter hier innerhalb einer Woche über 8.000 der kleinen Setzlinge ein. Dabei gehen sie sehr effizient vor, sie sind ein gut organisiertes, eingespieltes Team: Zunächst heben 2-3 Leute mit einem speziellen "Zangen-Spaten" die Löcher aus, während ein anderer die Setzlinge schon an die Löcher legt. Danach entfernen Einpflanzerinnen wie Ivone die Plastikfolie und pflanzen die Setzlinge in die Erde. Zwei der Arbeiter bewässern diese sofort im Anschluss, und zwar mit Wasser, das vorher mit einem Spezial-Gel behandelt wird: "So wird das Wasser dickflüssiger, versickert nicht so schnell in die Erde und hat einen längeren Bewässerungseffekt", erklärt mir Paulo. Am Ende ebnet ein kleines Team die Erdhaufen um die Setzlinge und räumt auf. Mittagspause. Auch ich ('o
alemão') bekomme einen völlig überzuckerten,
starken Kaffee aus dem Gemeinschaftsbecher angeboten. Ein Zeichen der Gastfreundschaft und Akzeptanz! Im Alter von 3 Jahren tragen die jungen Kaffeebäume zum ersten Mal Früchte und können - von Hand, denn für die Maschine sind sie noch zu empfindlich - geerntet werden. Das Feld ist aber schon für eine zukünftige maschinelle Ernte angelegt, d.h., der Abstand zwischen den Reihen beträgt 3 Meter und das Gefälle ist nicht zu steil. Die Kaffeebäume benötigen ein ausgeglichenes, mildes Klima ohne Temperaturextreme: ohne zu viel Hitze - Arabica 15°-24°C., Robusta 18°-29° C. - dafür aber gerne mit viel Regen: 1500 bis 2000 mm im Jahr! Da die Bäume Feuchtigkeit lieben, ist der Morgennebel optimal für sie. Eines darf aber niemals eintreten: Frost! Frost ist sofort tödlich für beide Arten der Kaffeepflanze. Bereits eine einzige Frostnacht während der Blüte vernichtet die gesamte Ernte und hat irreversible Schäden für die Kaffeeplantage zur Folge. Die Kaffee-Anbaugebiete liegen entsprechend den Ansprüchen zwischen den Wendekreisen, bei Arabica-Kaffee in Höhen ab etwa 600 Metern aufwärts. Über 90% des brasilianischen Kaffees wird in den Bundesstaaten Paraná, Espírito Santo, Minas Gerais und São Paulo angebaut. Die Kaffeefarmer im Bundesstaat São Paulo arbeiten fast ausschließlich mit Arabica-Kaffee, auf der Fazenda Boa Vista wird mit den hochwertigen Arabica-Sorten Mundo Novo und Catuaí Vermelho gearbeitet, die dort bestens gedeihen. Weitere Arabica-Sorten, die in Brasilien angebaut werden, heißen z.B. Typica, Bourbon oder Caturra. |
Kaffee-Feld, 2 Tage
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Die
Kaffeeblüte ('A florada do café') Die Regenzeit beginnt mit den ersten Regenfällen im September. Dies ist der Einsatz für die nur kurz andauernde Kaffeeblüte. Die Blüteperiode unterteilt sich in Vor-, Haupt- und Nachblüte. In der Vorblüte, ca. Ende September/Anfang Oktober, sind die Blüten ausgebildet aber noch geschlossen. In diesem Stadium sind die Blüten noch grünlich-weiß. Wenn die ersten starken tropischen Regenschauer niedergehen und das Regenwasser ca. 20 - 30 cm in den Boden eindringt, öffnen sich die Knospen beim nächsten längeren Sonnenschein. Die schneeweißen Blüten blühen nur einen Tag: Mit den ersten morgendlichen Sonnenstrahlen gehen sie auf, zum Sonnenuntergang werden sie schon braun und verblühen. Die Blüten, die sich am ersten Tag noch nicht öffneten, erblühen dafür am Tag darauf, d.h., nach zwei Tagen ist der ganze weiße Zauber wieder vorüber. Da aber nicht alle Felder gleichzeitig blühen, zieht sich die Blütezeit insgesamt über 3 - 4 Wochen. Der Arabica-Kaffee besitzt 44 Chromosomen, im Unterschied zum Robusta-Kaffee, der nur 22 Chromosomen aufweist. Dies macht die Arabica-Pflanze komplexer als die Canephora-Pflanze (Robusta) und auch das Aroma feiner. Aufgrund dieser Besonderheit des Arabica-Kaffees benötigen seine Blüten keine Insekten zum Bestäuben: die Pflanze ist ein Selbstbestäuber! 2,5 Millionen Pollen reichen aus, um die 30.000 - 40.000 Blüten pro Baum zu bestäuben. Der Großteil der Kaffeeblüten des Arabica-Kaffees wird also vom Wind bestäubt. Es darf dabei tagsüber nur wenig regnen und es sollte ein leichter Wind gehen, dann geht die Bestäubung wie von alleine. Da aber Bienen die Blüten zusätzlich bestäuben können, arbeiten Kaffeepflanzer und Imker in einer Win-Win-Situation zusammen: vor der Kaffeeblüte werden die Bienenvölker in der Nähe der Kaffeefelder angesiedelt. Dies erhöhe einerseits die Produktion der Kaffeebäume und gebe andererseits dem Imker einen cremig-karamellisierten, leckeren Kaffee-Honig, der fruchtig schmecke und einen leichten Duft nach Jasmin aufweise, erklärt mir Paulo. Bei Sonnenaufgang sind die Kaffee-Bienen bereits fleißig am Werk. Es ist ein herrliches Gesumme und Gebrumme, ein unermüdliches Hin- und Her, ein wahres Makro-Schauspiel! So war es eine wahre Freude, mit der Kamera zwischen diesen kleinen, umtriebigen Honig-Produzenten herumzuspringen, die nur mit sich und ihrem Pollen-Gesammele beschäftigt waren. Eine blühende Kaffeeplantage ist wunderschön und versprüht morgens ebenfalls einen recht starken und angenehm süßlichen, jasmin-artigen Duft. |