Die
Ernte
('A
colheita')
Ist dieser vollmundige Kaffee bis April/Mai gereift, beginnt die Zeit
der Kaffee-Ernte, die ungefähr bis Ende August andauert, denn
die
Kaffeekirschen reifen nicht alle zur gleichen Zeit und die Arbeitskraft
ist beschränkt. Kaffeepflanzer Paulo muss sich also
entscheiden,
zu welchem Zeitpunkt genau er die Ernte beginnt und mit welchen
Methoden er sie
durchführen wird.
Paulo erklärt mir, zwischen welchen Erntemethoden er
auswählen kann. Dies sei abhängig vom Alter der
Kaffeebäume, der Pflanzungen und der Hanglage der
verschiedenen
Felder, "und
natürlich von der Verfügbarkeit der
Erntemaschine, die ich ausleihen muss", meint er.
Dies sind seine
Optionen:
- Manuelle
Ernte: Hier wählt er aus Zeit- und
Kostengründen die Abstreifmethode
(‚método
por derriça’)
anstatt der selektiven Methode (‚colheita
seletiva‘).
- Halbmaschinelle
Ernte: Paulo besitzt eine kleine Erntemaschine, die
vom Traktor gezogen wird. Er setzt
sie aber nicht gerne ein, da sie doch
etwas umständlich zu
bedienen sei.
- Maschinelle
Ernte: Einen Teil der Felder erntet er mit Hilfe
einer großen Erntemaschine
(‚colhedeira‘),
die er von der Kooperative Cooparaíso ausleiht,
deren
Mitglied er ist.
Vergeblich erhoffe ich einen leckeren Kaffeeduft in der Luft, als ich
zum ersten Mal die Kaffeeplantage betrete. Die Arbeiterinnen und
Arbeiter streifen flink die Kaffeekirschen von den Ästen der
mannshohen Kaffeebäume - aha! Abstreifmethode -
denke ich, und es
riecht eher fruchtig-herb, etwas erdig-säuerlich, vom
Kaffeeduft
fehlt jede Spur! Dieser wird erst dann freigesetzt, wenn die
getrockneten
Bohnen beim Rösten erhitzt werden.
Die Kaffee-Ernte hat nichts
Romantisches, wie dies die Werbung oft
suggeriert. Es ist eine körperlich anstrengende
Tätigkeit,
vor allem gegen Ende der sehr staubigen Trockenzeit im Monat August.
Aber der Kaffee gibt vielen Menschen in der Gegend Arbeit, immerhin
herrscht
in der gesamten Region Vollbeschäftigung!
Paulo Marcio Villela,
Kaffeepflanzer
('cafeicultor') auf einer seiner täglichen
Kontrollfahrten über die Kaffee-Farm mit seinem uralten
Willys-Jeep. Dabei
kontrolliert er die Zustände der Pflanzungen und
den Fortschritt der Reifung
der einzelnen Felder.
Der Ernteertrag schwankt von Jahr zu Jahr erheblich: ungefähr
alle
zwei Jahre tragen die Kaffeebäume viele Früchte und
sorgen so
für eine umfangreiche Ernte – danach
benötigen sie
wieder dieselbe Zeitspanne, um sich zu erholen. "Wir nennen das eine
zyklische Produktion", erläutert Paulo. So
schwanke der Ertrag
eines Baumes pro Ernte zwischen 800 und 2.000 Gramm. "Für den
Ernteaufwand bedeutet das, dass ein Arbeiter 2,5 kg Kirschen
pflücken muss, damit wir 500 gr Rohkaffee erhalten."
Im optimalen reifen Zustand sind die Kaffeekirschen
('cerejas')
dunkelrot, noch unreife
Früchte sind
grün und überreife Früchte werden schwarz.
Eine
(Faust-)Regel der Abstreifmethode laute, die Ernte zu beginnen, wenn
ungefähr noch 20% der Früchte unreif, also
grün sind.
"Unser Kaffee setzt sich
deshalb aus 55% reifen Kirschen, 25% bereits
am Baum getrockneten Früchten und 15% noch grünen,
nicht
komplett ausgereiften Früchten zusammen. Die
restlichen 5%
sind
'coquinhos'*
und 'casquinhas'*:
Früchte, die auf den Boden fallen
und zusammengerecht werden. Natürlich muss bei dieser
Erntemethode
nachsortiert werden, da sonst die Qualität des Kaffees nicht
gut
genug wird", erklärt Paulo weiter.
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* s. Kasten
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Américo
beim Ernten gegen Ende der Erntezeit. Wegen der
Trockenheit wird sie zu einer sehr staubigen Angelegenheit.
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